Kultur:Stadt
Musik in der Wolke

Konzert
17 Uhr Vortrag
Manos Tsangaris
Unterschiedliche Konzepte von Öffentlichkeit

Gespräch
Arno Brandlhuber, Carsten Stabenow, Manos Tsangaris
Moderation: Raoul Mörchen

Arno Brandlhuber
Architekt, Stadtplaner, Gründer der brandlhuber +, einer Plattform für offene Projektpartnerschaften. Seit 2003 Lehrstuhlinhaber für Architektur und Stadtforschung an der Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg. Initiator des Veranstaltungsformats Akademie c/o in Berlin.
Carsten Stabenow
arbeitet als freier Kurator, Produzent, Kommunikationsdesigner und Künstler an der Schnittstelle künstlerischer Produktion und Vermittlung. Initiator diverser Festivals, Formate und Initiativen im Kontext Neue Medien, art+science und Klangkunst. Seit 2007 intensive Beschäftigung mit dem Thema Architektur und Klang im Rahmen des Projektes tuned city.
Manos Tsangaris
Geboren 1956, Komponist, Trommler und Installationskünstler, zählt zu den bedeutendsten Vertretern des neuen Musiktheaters. Seine Werke finden international Beachtung und wurden u.a. auf zahlreichen renommierten Festivals aufgeführt. 2009 wurde er zum Professor für Komposition an die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden berufen, im selben Jahr zum Mitglied der Akademie der Künste, Berlin gewählt (2011 zum Direktor der Sektion Musik). Seit 2010 ist er Mitglied der sächsischen Akademie der Künste.  Im Studienjahr 2012/13 ist Tsangaris Artist In Residence der Zürcher Hochschule der Künste, seit Oktober 2012 ist er designierter künstlerischer Leiter der Münchener Biennale für Neues Musiktheater ab 2016 (zusammen mit Daniel Ott). Er gründete im Jahr 2009 das "Internationale Institut für Kunstermittlung" (www.iike.de). Forschungen auf dem Gebiet der szenischen Anthropologie.  Seit den 1970er Jahren hat Manos Tsangaris immer wieder innerhalb unterschiedlicher künstlerischer Formate die Bedingungen der Aufführung zum wesentlichen Gegenstand von Komposition gemacht.


19 Uhr Konzert
Studio / Großes Parkett

Mark Andre, da  (2010-2011)         
für Fagott und Ensemble
(Trompete, Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass)  
 
Nicolaus A. Huber, Dort links ging's in die Stadt. Mit Tattoos (2005)    
für Schlagzeug, Akkordeon, Celesta, Violoncello und CD-Zuspielung

Ondřej Adámek, Ça tourne ça bloque (2007-2008)      
für 10 Instrumente und Sampler

- Pause -
Studio / Kleines Parkett
 
Luigi Nono, ...sofferte onde serene... (1976)      
für Klavier und Zweispur-Tonband
Frank Gutschmidt, Klavier
Daniel Plewe, Klangregie

Bernhard Lang, Loops from the 4th District (2002)      
für Kontrabass und CD-Zuspielung
1. we brake for no one
2. door & key
3. from the inside
4. lost russian copy
5. kunsthalle

Georges Aperghis, À bout de bras (1989)
für Klarinette und Oboe

Hans Wüthrich, Peripherie und Mitte (2009-2011)        
für zwei Schlagzeuger und Live-Elektronik

- Pause -
Studio / Großes Parkett
 
Georg Friedrich Haas, 3. Streichquartett („In iij Noct.“) (2001)    

Kammerensemble Neue Musik Berlin
Ondřej Adámek, Leitung

Zu den Werken

Mark Andre
da
  (2010-2011)
für Fagott und Ensemble
Im Lukas Evangelium (24, 31) darf man lesen: "Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen."
Bei dieser Episode der "Emmausjünger" handelt es sich um eine Schwellenerfahrung, eine Erkundung im atmosphärischen Zwischenraum und eine Zustandsänderung.
Wie während der "Noli me tangere"-Episode im Garten des Grabes verschwindet Jesus von Nazareth. Maria Magdalena und die "Emmausjünger" werden quasi zu seinem bleibenden, "wahrhaften Körper" auf der Erde. Es beginnt eine zerbrechliche, fluktuierende Situation. "da“ ist ein Ensemblestück für 8 Solisten, aus denen die Fagott-Stimme in besonderer Weise herausragt. Es geht um eine Art "Klang-roadmovie" in fragilen, vertikalen Klangsituationen, eine "Klangreise" durch senkrecht strukturierte Klangräume, die ihre innere Kraft ausstrahlen. De facto erlebt man verschiedene Kategorien von Zeiträumen, die zugleich vertikale Situationen sind. Es handelt sich auch um Meta-Ebenen, die zerbrechliche Situationen sind und bleiben. Das Stück ist Nike Wagner gewidmet.
(Mark Andre)

Nicolaus A. Huber
Dort links ging's in die Stadt. Mit Tattoos
(2005)  
für Schlagzeug, Akkordeon, Celesta, Violoncello und CD-Zuspielung
Das Stück "Dort links ging's in die Stadt. Mit Tattoos" versteht sich als musikalische Denkposition zum Thema der Ausstellung "Kultur:Stadt". Es handelt von "Verortungen", kleingliedrig bis zur harmonischen Nichtlokalität einzelner Töne, d.h. ihre harmonische Reichweite geht über das ganze Stück, ohne Einzelschritten zu gehorchen - Töne reisen als Wahrscheinlichkeitswelle und kommen als Teilchen an, was nur im Unsichtbaren, in Mikrobereichen des Urbanen ein Äquivalent hätte.

Die eigentliche Entdeckung Schönbergs, die ungeheuere, war, die Gleichberechtigung und Unabhängigkeit der Töne als denkbar zu postulieren. Damals war zu einer ersten Bewältigung die Welt der zwölf Töne mit entdeckt worden. Schönberg interessierte daran offenbar weniger die Reihe (oder gar die Reihen-Technik), sondern vor allem der Raum und ein neues Raumgefühl: von jedem Punkt, gleich in welche Richtung man geht, zu jedem Punkt gelangen zu können. Jeder kennt diese Schönbergsche Raumgraphik der vier Reihenformen, in der Mitte zweimal die 12, an den Außenrändern jeweils die 1 und das spiegelbildliche Oben und Unten. In seiner „Erwartung“ beginnt Schönberg noch: „Hier hinein? ... Man sieht den Weg nicht ...“ (zögernd!!!). Später, in der „Jakobsleiter“, beginnt Schönberg (streng im Takt / scharf und trocken!!!): „Ob rechts, ob links, vorwärts oder rückwärts, bergauf oder bergab – man hat weiterzugehen, ohne zu fragen, was vor oder hinter einem liegt.“
Aus den gleichen Jahren Bergs „Wozzeck“. Im 3. Akt, 2. Szene (Invention über den Ton „h“) lässt er Marie mit Wozzeck von rechts auf die Bühne kommen und versetzt, wie ich finde genüsslich, dieser geschlossenen Raumkonzeption Schönbergs einen ästhetischen Fußtritt. Marie beginnt die Szene noch aufmüpfig: „Dort links geht’s in die Stadt“, und Berg schützt den Satz auch noch, indem er ihn in die Länge der heiligen Zahl von 7 Achtel hüllt. Aber die Eindeutigkeit der Richtung zersprengt die geschlossene 12, ohne die historische Richtung zur Unabhängigkeit der Töne fraglich zu machen.
Nono machte sich zu Eigen, dass das Gehen der Weg sei, und Cage ließ die Töne und Klänge aus ihren eigenen Zentren kommen. Die Analogie zu den philoso¬phischen Setzungen der griechischen Atomisten Leukipp und Demokrit, die ein Weltall ohne Mitte, Oben und Unten postulierten und alles als Kombination sahen, ist verblüffend. Die Gleichgültigkeit aller Erscheinungen und Medien ist die schöpferische Folge des bahnbrechenden Ansatzes von Schönberg.
Nun, wenn man heute über Stringtheorie liest oder über die Fähigkeit der Quanten, mehrere Zustände gleichzeitig zu überlagern (Qubit), dann kommt auch Musik immer noch mit. Das Gehen ist nicht mehr der Weg, nur ein blitzartig aufleuchtendes Gestaltteilchen, und in meinem „O dieses Lichts!“ habe ich versucht, Notenschrift, Analyse und Spiel als Messung zu verstehen, die die Qubits immer zu einfachen Bits zerfallen lässt, dem Hören aber die Chance zur Überlagerung von Zuständen durch Unschärfen der Gestalten und Verteilungen abverlangt. Nicht immer ist alles exemplarisch. Aber ich glaube, die Töne meines Stückes „Dort links ging’s in die Stadt“ haben diesen Text wohlwollend zur Kenntnis genommen und glitzern davon. Was aber ist mit den Tattoos?
(Nicolaus A. Huber)

Ondřej Adámek
Ça tourne ça bloque
(2007-2008)      
für 10 Instrumente und Sampler
Ça tourne ça bloque, umgangssprachlich etwa für „es läuft, es klemmt“, ist ein Portrait zweier japanischer Städte - Kyoto und Osaka - in drei Teilen. Das Stück basiert auf einem spontanen Gespräch zweier französischer Freunde über das heutige Japan, der versteckt aufgenommenen Stimme einer Verkäuferin aus Osaka sowie einer weiteren Japanerin, die - sehr schnell - über ihre Träume erzählt. Alle aufgenommenen Stimmen wurden in kleine Muster zerschnitten, die über einen Sampler eingespielt werden und das Tempo, den Rhythmus, die Melodie und die Artikulation des gesamten Stückes bestimmen. Außerdem findet man auch Aufnahmen aus einem Geschäft in Kyoto.
Mich interessierte an diesem Stück die Musikalität der Sprechstimmen, bei denen sich der Inhalt mit seiner musikalischen Rolle verändert. Die mechanische Seite des Stückes ergibt sich aus der häufigen Wiederholung der Sprachgesten im Alltag.
Das verwendete Material wurde während meines Aufenthalts in der Villa Kuioyama in Kyoto im Jahr 2007 aufgenommen und bearbeitet. Mit Dank an Shigeko, Gilbert, Masako und Pascal.
(Ondřej Adámek)

Luigi Nono
...sofferte onde serene...
(1976)       
für Klavier und Zweispur-Tonband
Maurizio Pollinis im Studio hergestellte Aufnahmen, vor allem Einsätze, sein außerordentlich artikulierter Anschlag, verschiedene Intervallfelder, sind später auf dem Tonband verarbeitet worden [...] Daraus ergeben sich zwei Klangebenen, die oft verschmelzen und dabei die mechanische Fremdheit des Tonbands aufheben [...] Es sind nicht 'Episoden', die sich in der Abfolge erschöpfen, sondern 'Erinnerungen' und 'Gegenwärtigkeiten', die sich überlagern, die sich indes als Erinnerungen, als Gegenwarten mit den 'heiteren Wellen' vermischen.
(Luigi Nono).

„In mein Heim auf der Giudecca dringen fortwährend Klänge verschiedener Glocken, sie vibrieren mit unterschiedlicher Resonanz, unterschiedlichen Bedeutungen, Tag und Nacht, durch den Nebel und in der Sonne“, notierte Luigi Nono 1976 zu seiner Komposition ... sofferte onde serene ... für Klavier und Tonband. Die Glocken Venedigs, in düsteren Klängen vielfältig gebrochen, finden in diesem Stück ihren geheimnisvollen Widerhall. Die unverwechselbare Akustik der Stadt in der Lagune war für Nono eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. „Man hört den Raum. Ich höre die roten und weißen Steine“, sagte er 1983 in einem Interview auf die Frage, warum er sich in Venedig so heimisch fühle. Das hörbare Venedig, das war für Nono das Hallen der Schritte in den verwinkelten Gassen, das aus einem nahen Kanal ertönende Schiffsignal, der Klang der Glocken, der „mit unterschiedlicher Resonanz, unterschiedlichen Bedeutungen“ weit übers Wasser getragen wird – ein labyrinthischer Klangraum, in dem Nähe und Ferne seltsam verschwimmen und der ein genaues akustisches Abbild der Stadtarchitektur darstellt. Die Glockenklänge „sind Lebenszeichen über der Lagune, über dem Meer. Aufforderungen zur Arbeit, zum Nachdenken, Warnungen. Und das Leben geht dabei weiter in der durchlittenen und heiteren Notwendigkeit des ‚Gleichgewichts im tiefen Inneren’, wie Kafka sagt.“
Das ist schon fast der ganze Nono – der Venezianer mit dem Ohr an der Gegenwart und der wachen Erinnerung an die Vergangenheit. Mit der präzisen Wahrnehmung der inneren und äußeren Realität verbindet er zudem eine versteckte praktische Botschaft an den Interpreten jenes Stücks, seinen Freund Maurizio Pollini. Dazu die überraschende Seitenperspektive auf Kafka und damit auf „Mitteleuropa“: Dieser Kulturraum, der in den 70er Jahren ins Blickfeld der italienischen Intellektuellen geriet, wurde gerade in Venedig, einer Stadt mit starken historischen Bindungen an das Habsburgerreich, begierig wiederentdeckt. Zumal vorurteilslose Weltoffenheit in der alten Handels- und Seefahrerrepublik seit jeher gleichsam zum Geschäftsprinzip gehört, und die Abwesenheit ideologischer Festlegungen besitzt eine lange Tradition.
(Max Nyffeler)

Bernhard Lang
Loops from the 4th District
(2002)      
für Kontrabass und CD-Zuspielung
dieser kleine zyklus von stücken basiert auf automatischen transkriptionen von samples, die ich bei einem sommerspaziergang von meiner wohnung zum karlsplatz aufgenommen hatte. ich bildete aus den samples loops und schickte diese durch das programm widi, das wav-files in midi-files convertiert. aus diesen midi-files filterte ich die kontrabaßstimme, die als komplement zum live-sample fungieren sollte. der somit entstandene solopart ist infolge seiner herleitung irrwitzig viruos, geht an die grenze des abbildbaren materials. gleichzeitig haben die stücke auch studiencharakter im sinne der weiteren phänomenologischen ausleuchtung der loop-ästhetik. die stücke sind uli fussenegger gewidmet.
(Bernhard Lang)

Georges Aperghis
À bout de bras
(1989)
für Klarinette und Oboe
"À bout de bras" (1989) für Klarinette und Oboe (wahlweise auch für Saxophon) führt die beiden Blasinstrumente in einen Wirbel aus rastlosen, in Geschwindigkeit und Grellheit sich hitzig steigernden Exklamationen, die nur „mit letzter Kraft“, wie der Titel in deutscher Übertragung sinngemäß heißt, zu leisten sind. Das Stück verlangt den Interpreten Äußerstes ab. Es spielt mit den Leistungsgrenzen sowohl in physischer als auch technischer Hinsicht. Sein Thema sind Extreme in Lautstärke und Rasanz. Wie gepeitscht stürmen die Instrumente ins hohe Register, wo sie sich in hohlem Aktionismus und vierfachem Forte hysterisch „drehen“ – ein markantes Sinnbild für die Hektik modernen städtischen Lebens.
(Evelyn Hansen)

Hans Wüthrich
Peripherie und Mitte
(2009-2011)        
für zwei Schlagzeuger und Live-Elektronik
Wie mir scheint, gibt es zwischen „Peripherie und Mitte“ und urbanem Raum Parallelen, Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel weisen beide sowohl zugrundeliegende Tiefenstrukturen als auch mannigfaltige Oberflächenstrukturen auf*).
„Peripherie und Mitte“ besteht aus dreizehn Teilen, Klangfeldern, die alle rhythmisch von derselben Grundstruktur, demselben Modell abgeleitet sind. Anders formuliert: Die Klangfelder sind unterschiedliche Oberflächenstrukturen ein- und derselben Tiefenstruktur. Während die Tiefenstruktur in allen Teilen konstant präsent ist, hat jedes Klangfeld seinen eigenen spezifischen Charakter. Dies wird u.a. erreicht durch rhythmische Differenzierung oder Vereinfachung des Modells, durch klanglich unterschiedliche Verwendung des Schlagzeugs (2 Becken, 1 Tamtam, 1 Gong) und vor allem durch unterschiedliche musikalische Gestalten. Der morphologische Aspekt spielt in diesem Stück die Hauptrolle. Die beiden Schlagzeuger spielen live prägnante Kleingestalten, vergleichbar mit Morphemen, Wörtern und kurzen Sätzen in der Sprache. Mit Hilfe des Computers werden diese so kombiniert, dass ständig neue „Wortbildungen“, Figuren, „Sätze“ entstehen. Auch ergeben sich durch Ballungen ganze Klangräume, „Seelenlandschaften“.
Beim urbanen Raum treffen wir, finde ich, auf strukturell ähnliche Verhältnisse. Die Tiefenstrukturen bestehen aus den zugrundeliegenden, virtuellen „Stadtplänen“, Stadtmodellen. Auf diesen basieren die zahlreichen Oberflächenstrukturen, die die reale Stadt ausmachen. Zum Beispiel: die tatsächlichen Häuser, Straßen, Plätze, die U- und S-Bahnen, die Menschen und deren Verhalten, die Subsysteme der Standorte der Dönerbuden, der Bankautomaten, der WC Anlagen… Alle bilden städtebaulich von Tiefenstrukturen abhängige Oberflächenstrukturen. Im Unterschied zu den oben genannten Klangräumen folgen sie nicht zeitlich nacheinander, sondern existieren alle gleichzeitig.
*) Die Begriffe „Oberflächenstruktur“ und „Tiefenstruktur“ stammen ursprünglich aus der Sprachwissenschaft und wurden von Noam Chomsky geprägt.
(Hans Wüthrich)

Georg Friedrich Haas
3. Streichquartett („In iij Noct.“)
(2001)
In seinem 3. Streichquartett („In iij Noct.“) setzt Georg Friedrich Haas seine in den Kompositionen Adolf Wölfli und in vain begonnene Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Musizierens im Dunkeln fort. Dunkelheit wird hier aber nicht als vorübergehende Abwesenheit von Licht eingesetzt, sondern sie wird zum eigentlichen Thema des Werks: Das gesamte Stück wird in völliger Finsternis gespielt, die MusikerInnen können weder ihre Noten noch ihre Mitspieler sehen, sie sitzen in größtmöglicher räumlicher Entfernung voneinander - z. B. um das Publikum herum in den vier Ecken des Aufführungssaales.
Gegen Ende des 3. Streichquartetts erklingt ein Gesualdo-Zitat, dem auch der Titel des Werks entnommen ist (aus den Responsorien: Feria V, Resp.VII).

Das 3. Streichquartett ist als Verbalpartitur komponiert, viele Details und Entscheidungen sind den InterpretInnen überlassen, die sich ausschließlich durch den Klang ihrer Musikinstrumente miteinander verständigen, sich gegenseitig zur Gestaltung bestimmter musikalischer Prozesse einladen, diese Einladungen dann entweder annehmen oder aber selbst wiederum zur Gestaltung eines anderen Prozesses einladen - und dabei immer selbst entscheiden, wie weit sie einen gemeinsamen Weg miteinander gehen wollen, bevor sie sich wieder zurückziehen.
Die Dauer des Stückes entscheidet sich erst während der Aufführung: Das Minimum beträgt 35 Minuten – es kann aber alles auch wesentlich länger andauern.
(Georg Friedrich Haas, Internetseite der Universal Edition)

Komponisten

Ondřej Adámek
geboren 1979 in Prag, studierte an der dortigen Musikakademie sowie am Konservatorium in Paris  Komposition. Das Spektrum seiner künstlerischen Tätigkeit ist weit gefächert: Es reicht von Orchester- und Kammermusik, über Vokalwerke bis zu elektronischer Musik und Musik für zeitgenössischen Tanz. Für die Produktion „Abila“, in Zusammenarbeit mit der Tanzkompainie Gaara / Nairobi, erhielt er 2002 ein UNESCO-Stipendium. Weitere Auszeichnungen folgten, darunter 2003 Prix IMEB Bourges, 2007 ein Aufenthalt in der Villa Kujoyama in Kyoto,,2009 Prix Hervé-Dugardi - SACEM. 2010/2011 war er Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Viele seiner Stücke sind im Auftrag zentraler Festivals und führender Musik-Ensembles entstanden wie etwa Festival Agora Paris, Ars Musica in Belgien, Warschauer Herbst, Donaueschinger Musiktage bzw. Percussionists de Strasbourg, LUCERNE FESTIVAL ACADEMY Orchestra oder Ensemble Intercontemporain. In seiner musikalischen Sprache kombiniert Adámek Elemente entfernter Kulturen (wie z.B. Bali, Neukaledonien, Japan und Andalusien) mit einer akribischen Arbeit am zeitgenössischen Instrumental- und Vokalklang.

Mark Andre
1964 in Soisy/Montmorency bei Paris (Frankreich) geboren, begann seine kompositorische Ausbildung bei Gérard Grisey, von 1993-1996 durch ein Studium bei Helmut Lachenmann erweitert. Seit 1997 unterrichtet Mark Andre, zunächst in Straßburg und Frankfurt am Main, mehrfach bei den internationalen Ferienkursen in Darmstadt und ab 2009 als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Dresden. 2009 erfolgte die erste Gesamtaufführung des Zyklus …auf… für großes Orchester (2005-2007) innerhalb der MaerzMusik in Berlin. Auszeichnungen (Auswahl): 2001 Kompositionspreis der Oper Frankfurt, 2002 Kompositionsförderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, 2007 Produktionspreis des Giga-Hertz-Preises für elektronische Musik, 2008 Förderungspreis des Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste, Mitglied der Akademien der Künste in Berlin (2009), Sachsen (2010) und Bayern (2012). 2011 Verleihung des Ordens 'Chevalier des Arts et des Lettres' durch den französischen Kultusminister, 2012 Kompositionspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung. 2012/2013 war er Fellow des Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Georges Aperghis
geboren 1945 in Athen, Sohn des griechischen Bildhauers Achille Aperghis und der Malerin Irène Aperghis, bildete sich weitgehend autodidaktisch als Maler und Komponist aus. 1963 übersiedelte er nach Paris. Musikalisch wurde er von Komponisten wie Pierre Schaeffer, Pierre Henry und Iannis Xenakis, John Cage und Mauricio Kagel beeinflusst. 1971 erschien mit La tragique histoire du nécromancien Hieronimoet et de son miroir sein erstes Werk für das Musiktheater, dessen profiliertester Vertreter in Frankreich er wurde. 1976 gründete er die multimediale Theatergruppe Atelier Théâtre et Musique (ATEM) in Bagnolet, die er bis 1990 leitete. Hier wurden bis zur Auflösung der Gruppe mehr als zwanzig Stücke aufgeführt, darunter La bouteille à la mer (1976), Conversations (1985), Jojo (1990),  Sextuor (1993) und Commentaires (1996). Ab Mitte der 1990er Jahre wendete er sich stärker der Instrumentalmusik zu. Georges Aperghis erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1974 Prix Sacem, 1988 Grand Prix de la Ville de Paris, 1998 Grand Prix National de La Musique, 2002 Prix du Président de la République für sein Gesamtwerk, Großer Preis der Französischen Komponistengesellschaft, 2011 Mauricio Kagel Musikpreis der Kunststiftung NRW. Er ist Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Georg Friedrich Haas
1953 in Graz geboren, lebt in Lörrach-Stetten/Deutschland. Er studierte Komposition, Klavier und Musikpädagogik in Graz und Wien, hatte verschiedene Lehrtätigkeiten inne und unterrichtet in Graz sowie seit 2008 als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik in Basel. Viele Jahre wenig beachtet, gehört Haas heute zu den profiliertesten Komponisten seiner Generation. Festivals wie Wien Modern, ars musica in Brüssel oder 2011 das Lucerne Festival widmeten ihm einen Schwerpunkt. Vor allem seine Opern und Orchesterwerke zählen zu den herausragenden Ereignissen des internationalen Musiklebens. Angeregt von Ivan Wyschnegradsky und Alois Hába arbeitet Haas mit mikrotonalen Kompositionstechniken. Obertonharmonien und komplexe Akkordschichtungen erzeugen Klanglandschaften von großer Suggestionskraft. Auch setzt er Licht als künstlerische Komponente zunehmend in seinen Werken aus jüngerer Zeit ein. Georg Friedrich Haas wurde mit vielen Auszeichnungen geehrt, u.a. Ernst Krenek-Preis der Stadt Wien (1998), Preis der Stadt Wien für Musik (2004), Großer Österreichischer Staatspreis (2007), Musikpreis Salzburg (2013). Seit 2011 ist er Mitglied des Österreichischen Kunstsenats. 2012 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste, Berlin gewählt. Neben seinem kompositorischen Schaffen veröffentlichte er wissenschaftliche Arbeiten über Luigi Nono, Ivan Wyschnegradsky, Alois Hába und Pierre Boulez. Werkauswahl: Hyperion für Licht und Orchester (2006), Konzert für Klavier und Orchester  (2007), Melancholia (Oper, 2008), limited approximations, Konzert für 6 Klaviere im Zwölfteltonabstand und Orchester (2010), 7. Streichquartett (2011)

Nicolaus A. Huber
geboren 1939 in Passau, studierte 1958-1962 Schulmusik mit Hauptfach Klavier in München, danach Komposition, u.a. bei Günter Bialas. Wichtige künstlerische Anregungen vermittelten ihm Josef Anton Riedl, mit dem er im elektronischen Studio München zusammen arbeitete, vor allem aber Karlheinz Stockhausen, den er 1967 in Darmstadt traf, und insbesondere Luigi Nono, bei dem Huber 1967/1968 in Venedig studierte. In diese Zeit fällt die Uraufführung seines Streichquartetts "Informationen über die Töne e-f " (1967) in München, die ihm erste öffentliche Aufmerksamkeit einbrachte. Hubers kompositorisches Spektrum umfasst neben  Instrumentalwerken szenische und experimentelle Musik, Elektronik und politisch motivierte Arbeiten wie Politrevuen. Mit Peter Maiwald und einer freien Theatergruppe etwa tourte er 1975-1980 durch die Bundesrepublik. Die erfolgreiche Aufführung seines Orchesterstücks "Morgenlied" 1981 verschaffte ihm breite kompositorische Anerkennung. Sein künstlerisches Schaffen war früh mit Lehrtätigkeiten verbunden: 1969 begann er als Dozent für Musiktheorie und Analyse an der Folkwang Hochschule Essen, wo er von 1974-2003 eine Professur für Komposition inne hatte und bis heute lebt. Darüber hinaus gab er Meisterkurse und Seminare in vielen internationalen Musikzentren. Er gilt als einer der profiliertesten deutschen  Komponisten seiner Generation, der von namhaften Interpreten und führenden Veranstaltern und Ensembles weltweit mit Aufträgen bedacht wird. Nicolaus A. Huber erhielt 1969 den Kulturpreis für Musik der Stadt München, 1970 den Darmstädter Kompositionspreis. 1988 wurde ihm der Förderpreis Musik der Akademie der Künste, Berlin zugesprochen. 2007 zeichnete ihn die Bayerische Akademie der Schönen Künste München mit dem Gerda-und-Günter-Bialas-Preis aus.  Seit 1992 ist er Mitglied der Akademien der Künste in Berlin und Leipzig.

Bernhard Lang
geboren 1957 in Linz, studierte nach einer Musikausbildung in seiner Heimatstadt ab 1975 in Graz Philosophie und Germanistik, Jazztheorie, Klavier, Harmonielehre und Komposition. 1977-1981 arbeitete er mit verschiedenen Jazzgruppen als Komponist, Arrangeur und Pianist. Wichtige Anreger für sein kompositorisches Denken waren der polnische Komponist Andrej Dobrowolsky, Gösta Neuwirth und Georg Friedrich Haas.
Am Institut für Elektronische Musik und Akustik  (IEM) Graz setzte sich Lang mit Elektronischer Musik und Computertechnologie auseinander und entwickelte die Software CADMUS in C++ (Entwicklungsumgebung für Computergestützte Komposition). Später war er auch an der Entwicklung eines Loop- und Visual Loop Generators beteiligt. Seit 2003 ist Lang a.o. Professor für Komposition an der Kunstuniversität Graz. Sein künstlerisches Schaffen erstreckt sich auf vielfältige Bereiche der zeitgenössischen Kunst und Musik. Er schreibt für Film, Bühne, Hörspiel und Tanz ebenso wie Klanginstallationen, Performances und Konzertmusik im weitesten Sinne zu seinen Ausrucksformen zählen. Zu den zahlreichen Auszeichnungen gehören Stipendien, Arbeitsaufenthalte, composer in residences, so 2007/08 am Theater Basel und 2008/09 als Capell-Compositeur der Sächsische Staatskapelle Dresden. 2008 erhielt er den Musikpreis der Stadt Wien, 2009 folgte der Erste Bank Kompositionspreis. Seit Ende der 1980er Jahre ist er kontuniuierlich auf österreichischen und internationalen Festivals vertreten, darunter Steirischer Herbst, Moskauer Alternativa Festival und Festival Moskau Modern, Biennale Hannover, Los Angeles Resistance Fluctuation, Herbstfestival 98 Lissabon, Darmstädter Ferienkurse, Salzburger Festspiele, Wien Modern, Donaueschinger Musiktage, Wittener Tage für Neue Kammermusik.

Luigi Nono
wurde 1924 in Venedig geboren. Ersten Kompositionsunterricht erhielt er als Gymnasiast, doch absolvierte er zunächst ein Studium der Rechtswissenschaften. Die Begegnung mit Bruno Maderna 1946 gab den Ausschlag für die Hinwendung zur Musik. Er nahm private Kompositionsstunden bei Maderna und empfing weitere entscheidende Anregungen durch Hermann Scherchen. 1950 besuchte er erstmals die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, an denen er bis 1960 regelmäßig – von 1957-1960 als Dozent – teilnahm. Zusammen mit Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez zählte Nono in den 1950er Jahren zu den führenden Vertretern der seriellen Musik. 1952 trat er der Kommunistischen Partei Italiens bei. Sein kompositorisches Schaffen war mit seinen sozial-politischen und gesellschaftskritischen Anliegen eng verbunden. Eine deutliche Zäsur zeigte sich Ende der 1970er Jahre mit dem Streichquartett „Fragmente - Stille. An Diotima“ (1979/80). Sein Interesse hatte sich zunehmend auf die Randbereiche des Hörens, das Innere der Klänge gerichtet. Im Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR in Freiburg erforschte er die Möglichkeiten der Live-Elektronik. Luigi Nono starb am 8. Mai 1990 in Venedig.

Hans Wüthrich
geboren 1937 in Aeschi im Schweizer Kanton Bern, lebt in Kandern/Baden-Württemberg sowie Arlesheim in der Schweiz. Er absolvierte ein Klavier- und Musiktheoriestudium am Konservatorium Bern bei Sava Savoff (Klavier) und Sandor Veress (Theorie). Bei Klaus Huber nahm er 1967-1973 Kompositionsunterricht. Es folgten Studien in Sprach- und Literaturwissenschaft, Philosophie und  Musikwissenschaft an der Universität Zürich, wo er 1973 in Sprachwissenschaft promovierte. 1971- 1985 arbeitete Hans Wüthrich als Lehrbeauftragter für Sprachwissenschaft (Phonetik/Phonemik) an den Universitäten Zürich und Basel. Dem schloss sich 1985-2002 eine Dozentur für Musiktheorie und Komposition an der Musikhochschule Winterthur/Zürich an. 1974 gründete er das Ensemble Mixt Media Basel, das sich besonders Werken im Zwischenbereich von Musik und Theater widmet. Seit 2002 ist er freischaffend tätig. Hans Wüthrich wurde mit mehreren Preisen geehrt, so 1972 mit dem Kompositionspreis der Stadt Zürich. 1974, 1976 und 1978 erhielt er Kompositionspreise bei den Internationalen Kompositionswettbewerben in Boswil, 1984 den Grand Prix Paul Gilson de la Communauté radiophonique des programmes de la langue française, 1991 den Spartenpreis für Musik des Kantons Basel-Landschaft und 2011 den renommierten Schweizer Kompositionspreis Marguerite Staehelin.

Kammerensemble Neue Musik Berlin
Das Kammerensemble Neue Musik Berlin steht für die lebendige, aktuelle Musikszene der Metropole Berlin. 1988 von Juliane Klein, Thomas Bruns und weiteren Studenten der Hochschule für Musik Hanns Eisler im damaligen Ostteil der Stadt gegründet, wird es heute von dreizehn Musikerpersönlichkeiten aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz geprägt.
Der künstlerische Ansatz "Neue Musik geht nicht nur Musiker und Komponisten etwas an" führte zu einer aktiven und intensiven Musizierhaltung, die sich sowohl programmatisch als auch im direkten Kontakt zum Publikum vermittelt. Europaweit sowie in den USA und Südamerika präsentiert das Ensemble Kompositionen, Konzertinstallationen und Konzertprojekte, die in enger Kooperation mit Komponisten, Autoren, Dirigenten, Künstlern und Regisseuren aus aller Welt entstehen. Getragen werden die Programme von der Neugier auf das Unbekannte, von der Auseinandersetzung mit den wesentlichen Themen unserer Gegenwart.
International bekannt wurde das Kammerensemble Neue Musik Berlin nicht nur durch seine Gastspiele auf den wichtigen europäischen Musikfestivals wie ars musica Brüssel, den Donaueschinger Musiktagen, dem Festival d’Automne à Paris, der MaerzMusik, musica Strasbourg, settembre musica Torino, dem Ultraschall – Festival für neue Musik, den Wiener Festwochen oder Wien Modern, sondern auch durch seine Eigenproduktionen wie "HouseMusik", "space+place" oder "KNM New Music Spa". Konzertreisen führten das KNM unter anderem an das Teatro Colon (Buenos Aires), die Carnegie Hall (NYC) oder das Wiener Konzerthaus.
2013 folgt das Kammerensemble einer Einladung der Santory Hall (Tokio) nach Japan und begibt sich auf eine ausgedehnte Gastspielreise durch Italien.
2011 erregte das KNM mit gleichermaßen ambitionierten als auch überraschenden Projektideen Aufsehen: In mehr als 30 stadtweiten "lunch & after work" Konzerten eröffnete das Ensemble ein Panorama des internationalen Komponierens in Berlin, und mit der Audiotour "Gehörte Stadt" lud es kontinuierlich zu akustischen Stadtführungen ein.
2012 setzte das Kammerensemble Neue Musik Berlin in Zusammenarbeit mit dem Institut français einen französischen Akzent in seiner Heimatstadt. In neun Konzerten, die sich über das ganze Jahr spannten, werde die zeitgenössische Musikszene Frankreichs portraitiert.
Die Diskographie umfasst bisher 13 CDs. 2009 und 2010 wurde das KNM mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik für die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Beat Furrer ausgezeichnet.
Das KNM wird unterstützt durch die Kulturverwaltung des Landes Berlin und die Kulturprojekte Berlin GmbH. Ausgewählte Projekte wurden nachhaltig durch den Hauptstadtkulturfonds und die Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Samstag, 18.5.2013

17 Uhr

Hanseatenweg

Studio

17 Uhr, Vortrag Manos Tsangaris
„Unterschiedliche Konzepte von Öffentlichkeit“, Gespräch mit Manos Tsangaris, Carsten Stabenow, Arno Brandlhuber, Moderation Raoul Mörchen
Eintritt frei
19 Uhr, Konzert
mit Kompositionen von Ondrej Adámek, Mark Andre, Georges Aperghis, Georg Friedrich Haas, Nicolaus A. Huber, Bernhard Lang, Luigi Nono, Hans Wüthrich. Kammerensemble Neue Musik Berlin
Eintritt 10/5 €