Tilla-Durieux-Schmuck an Judith Hofmann

Preisverleihung


Annette Paulmann legt Judith Hofmann den
Tilla-Durieux-Schmuck an. Foto Arno Declair


Judith Hofmann, Ensemblemitglied des Deutschen Theaters Berlin, ist die neue Trägerin des Tilla-Durieux-Schmucks. Sie erhielt die Auszeichnung aus der Hand der vorigen Preisträgerin Annette Paulmann. Warum Annette Paulmanns Wahl auf Judith Hofmann als Nachfolgerin gefallen war, begründete sie in einer so charmanten wie vielschichtigen Rede unter anderem mit dem Forscherdrang von Judith Hofmann, zu dessen Illustration sie die ersten Sätze aus Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" zitierte, in denen Alice dem weißen Kaninchen mit der Uhr in der Westentasche "vor Neugier brennend" in ein Loch unter der Hecke nachstürzt, "ohne zu wissen, wie um alles in der Welt sie dort wieder herauskommen könnte".

Zuvor hatte Ulrich Matthes als Vertreter der Akademie der Künste wie als Ensemblekollege am Deutschen Theater bereits von dem "hellen, klaren Kern" gesprochen, den für ihn alle von Judith Hofmann gespielten Figuren hätten. Außerdem hatte er einen Text von Tilla Durieux aus dem Jahr 1926 zitiert, mit dem sie damals auf die Frage des Berliner Börsen-Couriers geantwortet hatte "Wie soll man heute Klassiker spielen?"

Darin heißt es unter anderem: "Ein Fanatiker kann Steine zum Reden bringen, also warum nicht ihm überlassen, ob er unsere großen fernen Werke uns näher bringt, indem er sie verstümmelt. Das wird den großen Geistern nichts schaden. Die nächste Generation wirft vielleicht alles wieder über den Haufen und besitzt wieder die Ruhe, die uns verloren ging. Lasst uns keine Tradition haben, seien wir doch mutig genug zu sagen, dass wir Menschen von heute sind, nicht von gestern oder vorgestern." (Ulrich Matthes, Judith Hofmann, Annette Paulmann. Foto: Arno Declair)

Der Tilla-Durieux-Schmuck ist eine Stiftung der Schauspielerin selbst. Aus Anlass ihres 65-jährigen Bühnenjubiläums im Jahre 1967 verfügte sie, dass ein Collier mit 34 in Platin gefassten wasserblaugrünen Zirkonen jeweils für zehn Jahre einer „hervorragenden Vertreterin der deutschen Schauspielkunst“ zuzuerkennen wäre. Wobei die gebürtige Wienerin Durieux schweizerische und österreichische Kolleginnen natürlich mit einschloss. Ihre erste, eigene Wahl fiel auf Maria Wimmer. Diese gab den Schmuck 1977 an Gisela Stein weiter. 1988 übernahm Kirsten Dene und reichte das Collier 1998 an Annette Paulmann weiter, die sich jetzt für Judith Hofmann als Nachfolgerin entschied.

Biografisches

Judith Hofmann wurde 1967 in Zürich geboren. Sie studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und war erst am Bayerischen Staatstheater München, dann am Burgtheater Wien und schließlich am Thalia Theater in Hamburg engagiert. Von dort nahmen Intendant Ulrich Khuon und Hausregisseur Andreas Kriegenburg sie 2009 mit nach Berlin ans Deutsche Theater. Mit Kriegenburg arbeitet Judith Hofmann seit 14 Jahren zusammen. Von den sieben Inszenierungen, in denen sie am Deutschen Theater derzeit zu sehen ist, stammen vier von ihm.
In Molières „Menschenfeind“ kann sie als Célimène alle Register ziehen, wie Katrin Ullmann auf nachtkritik.de im März 2009 über die Premiere schrieb: „Sie ist kokett, selbstbewusst, schnippisch, herablassend, sanftmütig, charmant und verlogen. Mit einem Liebhaber an jedem Finger sinniert sie nur ein bisschen über die wahre Liebe, zuckt gelegentlich mit den Mundwinkeln – statt mit den Schultern – lässt alle ihre Fans am langen Arm verhungern und verliert dabei doch niemals an Sympathie.“
Auch Andreas Kriegenburg selbst hält Judith Hofmann für „die handwerklich Beste, die es gibt“. „Die Prägnanz, mit der sie Szenen und emotionale Zustände reproduzieren kann, ist unglaublich hoch, in der Palette von Stilen ist sie praktisch unbegrenzt.“ (Theater heute, 5/07) Damit steht sie ganz in der Tradition von Tilla Durieux, für die die Kunst ganz klar aus dem Können resultierte, aus dem „harten, schwer erlernbaren“ Beherrschen der Mittel.

Tilla Durieux wurde 1880 in Wien geboren und begann ihre Karriere 1902 in Olmütz (heute: Olomouc). Nur ein Jahr später spielte sie bereits in Berlin, war ab 1905 bei Max Reinhardt am Deutschen Theater engagiert, ab 1911 immer wieder am Lessing Theater, gastierte aber auch im Ausland und war – nicht zuletzt durch ihre Ehe mit dem international bekannten Kunsthändler Paul Cassirer –  als Dame der Gesellschaft ebenso wie als Schauspielerin weltweit bekannt.
„Die Durieux fand einen neuen, einen analytischen Gestaltungszugang“, schreibt Joachim Werner Preuß 2004. „Sie kompilierte Herkunft, Charakter, Handlungssituation und –absicht, also die momentane Befindlichkeit einer Figur und überführte sie in jeweils korrespondierende Sprachdifferenzierung, Gestik und Körperlichkeit.“
Gemeinsam mit ihrem dritten Mann, dem Brauereibesitzer Ludwig Katzenellenbogen, finanzierte Tilla Durieux 1927/28 die Piscatorbühne am Berliner Nollendorfplatz. Vor den Nazis floh das Ehepaar über mehrere Stationen nach Jugoslawien und ließ sich im kroatischen Zagreb nieder. 1941 wurde Ludwig Katzenellenbogen von Faschisten nach Berlin verschleppt und starb zwei Jahre später im dortigen Jüdischen Krankenhaus. Tilla Durieux schloss sich dem jugoslawischen Widerstand an.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie zunächst am Zagreber Puppentheater und kehrte erst 1952 auf deutsche Bühnen zurück. Sie spielte bei Boleslaw Barlog an den Staatlichen Bühnen Berlins, bei Oscar Fritz Schuh und vor allem Erwin Pisctor an der Freien Volksbühne (im Berliner Theater am Kurfürstendamm), aber auch in Hamburg, Köln, Lübeck, Basel… 1961 wurde sie zum Mitglied der Akademie der Künste (West) ernannt und erhielt neben vielen weiteren Ehrungen auch die Ehrenmitgliedschaft am Deutschen Theater im damaligen Ostberlin. Tilla Durieux starb am 21. Februar 1971.
(Tilla Durieux um 1900. Foto: Tilla-Durieux-Archiv der Akademie der Künste)

Literatur:
„Tilla Durieux. Der Beruf der Schauspielerin“, hrsg. von Heidrun Loper u.a., Archiv Blätter 11, Stiftung Archiv Akademie der Künste 2004

Donnerstag, 4.11.2010

21.40 Uhr

DT Kammerspiele, Schumannstr. 13 a, Berlin-Mitte. Tel. 030 28441-225
Verleihung des Schauspielerinnen-Preises nach der Vorstellung von Molières „Menschenfeind“