Digitalisierung, Erschließung, Kooperationen

Heinrich Mann DIGITAL – Eine transnationale Rekonstruktion

Projektlaufzeit: Januar 2019 – Dezember 2021

Skizzen zum Zola-Essay 1915, auf der
Rückseite eines Couverts vom 5. März 1914

Wer die Manuskripte, Notizbücher und Briefe von Heinrich Mann im Archiv studieren will, muss bislang nach Berlin und Frankfurt, nach Los Angeles und Moskau, nach Zürich und Marbach, nach Prag und München reisen. Die Zersplitterung ist kein Zufall, sondern hat mehrere Ursachen: Sie ist unter anderem eine Folge der Brüche und Verwerfungen des 20. Jahrhunderts und somit auch des Lebensweges von Heinrich Mann. Ein internationales Kooperationsprojekt ermöglicht nun erstmals die virtuelle Zusammenführung.

Heinrich Mann wurde im Oktober 1926 in die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste und im Januar 1931 zu ihrem Ersten Vorsitzenden gewählt. Als Mitglied und Sektionsvorsitzender hatte er sich bis zum erzwungenen Austritt und zur Emigration am 21. Februar 1933 für Demokratie, Menschenrechte und die Freiheit der Kunst eingesetzt und prägte mit seinem Engagement die Akademie entscheidend. Auch in den folgenden Jahren blieb er seinen Grundsätzen treu: als Präsident der Deutschen Freiheitsbibliothek und des Deutschen Exil-PEN in Paris sowie seit 1940 im US-Exil.

Die einzelnen Bestandssegmente aus Heinrich Manns Besitz sowie seine Briefe gelangten aus München, Prag und aus den Exilstandorten nach seinem Tod 1950 auf komplizierten Wegen schrittweise in die Archive. In der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin, deren Präsidentschaft Heinrich Mann nicht mehr antreten konnte, baute Alfred Kantorowicz das Heinrich-Mann-Archiv als Gründungsbestand der Akademie auf. Während der Zeit des Kalten Krieges erschwerte die Bestandsaufteilung in den Ost- und West-Institutionen die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit.

Ein internationales Kooperationsprojekt wird nun erstmals die Teile des umfangreichen Heinrich-Mann-Nachlasses virtuell zusammenführen und vernetzen. Zur Vorbereitung dieses ambitionierten Vorhabens werden bis Ende 2021 im Literaturarchiv 30.000 Scans angefertigt und anschließend im digitalen Schaufenster der Akademie der Künste veröffentlicht. Dazu gehören Werkhandschriften, Notizbücher, Geschäftsunterlagen, biografische Dokumente, Fotos, familiengeschichtliche Unterlagen und bildkünstlerische Arbeiten. Die Briefe folgen zu einem späteren Zeitpunkt. In einem zweiten Schritt entsteht ein Portal, in dem die weltweit in mehreren Archiven befindlichen Teilnachlässe virtuell mit dem Berliner Bestand vereinigt werden. Dieses digitale „Puzzle“ der Nachlassteile wird so zum Modell. Zerstreute literarische Bestände des 20. Jahrhunderts lassen sich transnational auf eine neue Stufe der Sichtbarkeit heben, strukturieren und zuordnen: nach Werkchronologien, Beständen und Standorten. Von dem digitalen Kooperationsprojekt gehen entsprechende Impulse aus – für die Editionsphilologie, die Literaturgeschichte, die Heinrich-Mann- und die Exil-Forschung sowie für die Provenienzforschung und die Rekonstruktion von Überlieferungswegen.

Die Digitalisierung des Heinrich-Mann-Bestandes im Literaturarchiv der Akademie der Künste, Berlin wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Sie wird gemeinschaftlich vom Literaturarchiv sowie den Bereichen Medienservice, Digitale Langzeitarchivierung und Bestandserhaltung durchgeführt.

Projektleitung: Dr. Gabriele Radecke, Leiterin des Literaturarchivs; Uta Simmons, Leiterin des Medienarchivs
Projektmitarbeit: Christina Möller, Marieluise Nordahl, Susanne Reinhardt und Volkmar Ernst

Das virtuelle Portal „Heinrich Mann DIGITAL“ entsteht in Kooperation mit der Heinrich Mann-Gesellschaft Lübeck, der Feuchtwanger Memorial Library (University of Southern California, Los Angeles), dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, dem Thomas-Mann-Archiv (ETH Zürich), dem Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum Lübeck, dem Literaturarchiv des Museums der Tschechischen Literatur Prag, der Fondation Martin Bodmer in Genf und der Monacensia in München, ebenso in Abstimmung mit den laufenden Editionsprojekten sowie den Verlagen S. Fischer und Aisthesis.