Editionen, Kooperationen

Theodor W. Adorno,
Vorträge 1949–1968

Projektlaufzeit: 2015 – 2017

Adorno beim Vortrag, 14. Juni 1965

Im Auftrag des Theodor W. Adorno Archivs und der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur wird derzeit im Benjamin Archiv die Edition der „Vorträge 1949–1968“ von Theodor W. Adorno erarbeitet. Der Band soll 2018 im Suhrkamp Verlag erscheinen. Herausgegeben werden 21 improvisierte Vorträge, die Adorno nach seiner Remigration, zwischen den Jahren 1949 und 1968 öffentlich (oder zumindest halböffentlich) gehalten hat. Sie umspannen vor allem musikalische und soziologische, aber etwa auch literarische Themen. Charakteristisch ist das Nachdenken in fachübergreifenden Perspektiven.

Die Vorträge sind akustisch oder schriftlich überliefert. Als Textgrundlage dienen Tonaufnahmen oder – wenn eine solche nicht überliefert ist – zeitgenössische Transkriptionen, zumeist aus dem Nachlass von Adorno. Nicht selten (zumal dann, wenn Adorno sie nicht durchgesehen hat) weisen die Transkriptionen empfindliche Mängel und Textverderbnisse auf. Die Textherstellung muss sie gründlich und misstrauisch prüfen.

Beim Improvisieren pflegte Adorno sich auf Stichworte zu stützen. Gelegentlich sind diese recht elaboriert, oft aber eher knappe und dürre Notizen, kurz vorher gemacht. Die Edition wird diese Notizen in einem Anhang  aufführen. Im Vergleich der Stichworte mit dem, was Adorno extemporierte, lässt sich die spontane Gedankenbildung gut nachvollziehen: das Offene und Wendungsreiche der Ausführungen; das nicht absehbare Ereignis der Formulierung; das Denken in Bewegung; das Werden freier, unangestrengt wirkender Rede.

Den Leserinnen und Lesern nicht nur die Vorträge selbst, sondern auch die Stichworte zu geben, die Adorno als Improvisationsgrundlage dienten, kann aus drei Gründen sinnvoll sein: 1. die Gliederung, die Argumentationsstruktur des Vortrags wird deutlicher; 2. Hintergründe (manchmal auch der Selbstzensur zum Opfer Gefallenes) werden erhellt; 3. es kann Material zu dem geboten werden, was Adorno aus Zeitgründen nicht mehr ausführen konnte. – Wo aber das Präparierte und Notierte die Formulierungen des Vortrags wörtlich vorwegnimmt und gegenüber diesem keinen Mehrwert bietet, wird darauf verzichtet, es im Anhang des Bandes wiederzugeben: Die Edition soll nicht mit Redundanzen belastet werden.

Mehr als 700 editorische Anmerkungen werden offene und verdeckte Zitate nachweisen, auf Anspielungen hinweisen, Erläuterungen zu Personen und Werken geben sowie Hintergründe und Sachbezüge erhellen. Interpretierende oder im engeren Sinn kommentierende Anmerkungen soll es nicht geben. Daneben wird der Band ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, eine editorische Nachbemerkung sowie ein Personenregister enthalten.

In einem der Vorträge zitiert Adorno das Wort von Immanuel Kant, man könne „niemals Philosophie, höchstens nur philosophieren lernen“. Diese Haltung hat Adorno sich emphatisch zu Eigen gemacht. Seinen Improvisationen kam es auf das spontane Selbstdenken an, nicht darauf, fertige Lehrinhalte mitzuteilen. Auch an heutige Hörerinnen und Hörer ergeht die Einladung und der Appell ans Weiterdenken.

Projektleitung: Christoph Gödde und Henri Lonitz, Theodor W. Adorno Archiv, Frankfurt am Main
Herausgeber: Michael Schwarz, Walter Benjamin Archiv, Berlin

In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag

Gefördert von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur